9. Tag, Freitag, 12.11.2010

TRINIDAD Kubas koloniale Vorzeigestadt

 Trinidad lebte vor allem vom Schmuggel, später vom Zucker und dem damit verbundenen Sklavenhandel. Nirgendwo auf Kuba wurde der Gewinn aus Zucker so prachtvoll versteinert: Paläste und Residenzen, Boulevards und Plätze. Zusammen mit José schlendern wir durch die Altstadt mit ihren pastellfarbenen Häusern, besichtigen das kleine Stadtmuseum sowie die Canchánchara-Bar. Nachmittags Palmen, Sand und Meer an der Playa Ancón.

Jetzt beginnt der Urlaub: Abfahrt ist laut Plan erst um 09:30h, realistisch also gegen 09:45h. Das heißt, dass wir ausschlafen dürfen, was die meisten von uns auch exzessiv ausnutzen.

Der Bus fährt los und bereits nach kurzer Zeit fahren wir in eine kleine Stadt, die wie ein Überbleibsel aus einer Zeit vor 500 Jahren anmutet: Wir erreichen Trinidad, und damit auch eine andere Welt. Ich kann nachvollziehen, dass die UNESCO die Stadt 1988 zum Weltkulturerbe ernannt hat. Trinidad war einst ein reger Umschlagplatz für Zucker und Sklaven. Daraus erklärt sich einerseits der Reichtum, der damals geherrscht haben muss und der heute noch an den Stadthäusern der Zuckerbarone zu sehen ist. Andererseits ist das auch der Grund für die seltene Optik der Straßenzüge: Die Straßen sind nicht gepflastert, es sieht eher so aus, als hätte jemand unbearbeitete Steine ausgekippt, die sich dann im Laufe der Zeit festgetreten haben. Auch die Eckenschoner, die überall in den kubanischen Städten zu sehen sind und die Funktion hatten, die Kanten der Häuser vor Beschädigungen durch große,  schwere Pferdekutschen zu schützen, sind hier nicht in Form von Stahlplatten an die Häuser angebracht – stattdessen sind Kanonen senkrecht in die Erde eingelassen worden.

Das kommt daher, dass zur Blütezeit Trinidads die Schiffe leer angekommen sind um Zucker und andere Handelswaren zu laden. Damit die Schiffe jedoch auf der Hinfahrt stabil im Wasser lagen, waren sie mit Steinen und Kanonen als Gewicht beladen. Diese wurden dann einfach in Trinidad gelassen und für die Straßen verwendet (man hatte ja genug davon).

Wir besichtigen eines der Stadthäuser und ich fühle mich nach Neuschwanstein versetzt:

Edle Hölzer an den Wänden, an der Decke und in Form von Möbeln bestimmen das Bild. Zwischen endlos vielen Möbeln, Truhen, Vasen, Kristallleuchtern etc. entdecke ich sogar einen Sekretär, der aus Tropenhölzern geschnitzt und von einem Gestell aus Meissner Porzellan getragen wird, das im bayrischen Landhausstil handbemalt wurde. Dem Kitsch sind hier wirklich keine Grenzen gesetzt und doch zeugt das Inventar von schier unermesslichem Reichtum!

Ich habe ein Element am heutigen Tage bereits vermisst und ich werde nicht enttäuscht: Natürlich geht es auch hier wieder in eine Bar, denn es muss wohl nicht erwähnt werden, dass auch Trinidad einen ganz speziellen Cocktail hat, den wir unbedingt probieren müssen. Die Zutaten sind in ihrer Kombination eher ungewöhnlich, denn das Getränk ist ein Gemisch aus Zucker, Soda, Feuerwasser (sprich: Schnaps), Honig und Eis. Gereicht wird das Getränk in einer kleinen unscheinbaren Bar namens El Canchánchara, wo wir es uns gemütlich machen und einer wirklich guten Combo zuhören.

Nach dem Pflichtprogramm haben wir Freizeit, die wir nutzen um durch die Gassen von Trinidad zu schlendern. Die Straßenhändler haben hier bereits den Tourismus entdeckt, und so hat sich über ganze Straßenzüge hinweg ein Kunsthandwerksmarkt entwickelt. Die Damen der Schöpfung verfallen in einen wahren Kaufrausch und sanieren in kürzester Zeit die Wirtschaft von Trinidad. Ich bin sicher, dass heute Abend zu unseren Ehren ein Volksfest veranstaltet wird.

Der Rest des Tages verläuft unspektakulär, immer irgendwo zwischen Strand und Bar ist mindestens einer von uns anzutreffen.

Für den Abend hat sich Mickel etwas ganz besonderes überlegt: Unweit des Hotels gibt es eine Höhle, in der sich eine Diskothek befindet, und deren Besuch steht für den Abend auf dem Programm. Es ist eine kubanische, sozialistische Diskothek mit kapitalistischer Musik – so wird es uns angekündigt und ich bin gespannt. Am Abend wird endlich das Motto der Reise gelebt: Salsa, Rum und Sinnlichkeit. Die Schweißperlen der Leidenschaft tropfen von der Decke, es ist heiß, es ist feucht und die Damen fühlen sich wie in den Film „Dirty Dancing“ versetzt. Ich werde keine Namen nennen, aber einige haben es echt krachen lassen. Gab es in eben genanntem Film die Grundregel „Dein Tanzbereich, mein Tanzbereich“, so hätte ich als Regisseur ständig unterbrechen und die Szenen neu drehen lassen müssen, denn die Regel wurde für den Rest des Abends dauerhaft gebrochen. Wann haben die Mädels wohl mal wieder die Gelegenheit in den Armen eines Kubaners zu liegen, daher sei es ihnen gegönnt.

Den Abend erlebe ich als ein Wechselbad der Gefühle: Als wir die Höhle betreten, läuft dort auf voller Lautstärke topaktuelle Musik wie zum Beispiel „Laura non ché“ von Nek (war glaube ich bei uns um das Jahr 1996 in den Charts) und weitere Lieder dieses Schnulzenbarden. Insofern bin ich froh, dass irgendwann die Musik wechselt und Salsa und Raeggaton gespielt wird (und das, obwohl das so gar nicht meine Musik ist). Später am Abend vernehmen meine Ohren sogar erste Electroklänge, was mich extrem optimistisch stimmt, doch dann nimmt das Elend seinen Lauf. Wie ich später erfahre, ist das typisch für Kuba und somit völlig normal in einer Disco, dass der DJ die Musik auflegt und irgendein anderer Typ pausenlos in das Mikrofon redet, und zwar so laut, dass man fast die Musik nicht mehr hört.

Der Kretin, der uns heute Abend mit dieser Kunst beglückt, ist ein echter Knaller: Auf der Kirmes würde er von der Straße weg engagiert, denn für den Autoscooter oder ein ähnliches Fahrgeschäft könnte man keinen Besseren finden. Er redet wirklich pausenlos, und das nicht nur während der Lieder, sondern auch noch über die Liedübergänge hinweg.

Ich entwickle an diesem Abend sechsunddreißig verschiedene Varianten, diesen Vogel ins Jenseits zu befördern, fünfundzwanzig davon haben mit dem Mikrofonkabel zu tun. Jede einzelne verschafft mir für wenige Minuten eine gewisse Genugtuung und so schaffe ich es, den Abend hinter mich zu bringen.

So habe ich halt mehr Gelegenheit, mich mit dem Ort zu beschäftigen. Die Höhle befindet sich etwa zwanzig Meter unter der Erde, und ist ein riesiger Raum, in dem künstlich drei Ebenen geschaffen wurden. An der Decke sind mehrere Moving-Heads installiert, der Großteil der Beleuchtung besteht jedoch aus statischen einfarbigen Lampen, die den Felsen anstrahlen und so für ein interessantes Bild sorgen. Auch wenn mir (wie wohl schon eindrucksvoll geschildert) die Musik absolut nicht zusagt, ist der Besuch dieser Höhlendisko ein Highlight, das ich nicht hätte missen wollen. Wer weiß, wann ich das nächste Mal die Gelegenheit dazu haben werde…

Völlig aufgekratzt treten wir gegen halb vier die Rückfahrt an und erreichen bereits nach kurzer Zeit das Hotel. Den Abend lassen wir gemütlich an einer Bar ausklingen (die extra für uns wieder geöffnet wird, denn mit so frühem Besuch hat wohl keiner der Bediensteten gerechnet), und so gegen fünf Uhr endet der Abend…

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